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Graue Haare?
Stress depletiert Haar-Stammzellen
L-Tyrosin: Wirkung auf Körper & Geist
Stress und die Bedeutung von Tyrosin:
Zum Jahresende steigt das Stresslevel querbeet durch alle Bevölkerungsgruppen. Wenn dann auch noch eine einseitige Ernährung zu dunklen, nasskalten Tagen und Jahresendspurt dazu kommen, sind Müdigkeit und Stimmungstief vorprogrammiert. Stress löst einen biochemischen Cocktail im Körper aus: Die Nebennierenmark feuert Noradrenalin und Adrenalin (Sympathisches Nervensystem), während die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden(HPA)-Achse zur Freisetzung von ACTH und Cortisol führt.
Ausgangssubstanz der Katecholamine Noradrenalin und Adrenalin ist die semiessenzielle Aminosäure Tyrosin. Die endogene Synthese gelingt allerdings nur, sofern dem Körper eine ausreichende Zufuhr der essenziellen Aminosäure Phenylalanin vorliegt. In stressigen Phasen – bei stark erhöhtem Bedarf – ist das nicht mehr möglich: Tyrosin muss dann von Außen zugeführt werden. Ein Tyrosin-Mangel kann sich beispielsweise in Appetitverlust, Depressionen, Reizbarkeit, Schwäche und geringer Stressresistenz äußern.
L-Tyrosin: Wirkung auf Körper & Geist
Die vielfältige Rolle von Antioxidantien
Auch erhöhter oxidativer Stress kann zur Apoptose und zur Verringerung dieser melaonzytären Stammzellen führen (PubMed: Age-induced hair greying – the multiple effects of oxidative stress). Eine gute Versorgung mit Mikronährstoffen ist jedoch nicht nur ein Gebot der Eitelkeit! Sie stellt zugleich die Basis für psychische Gesundheit und eine gesunde Stressbewältigung dar. Beides erfordert ein fein abgestimmtes biochemisches Gleichgewicht der Neurotransmitter, insbesondere von Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und nicht zuletzt Melatonin. Grund genug, einige Mikronährstoffe im Kontext von Stress genauer zu beleuchten. Vitamin C, Zink, Selen sowie Taurin und Coenzym Q10 und B12 sind als Antioxidantien natürlich in der Lage, oxidativen Stress zu reduzieren. Oxidativer und nitrosativer Stress spielt bei Stress, der auch als neuroinflammatorischer Prozess verstanden werden kann, eine besondere Rolle. Denn bei Stress liegt ein stark erhöhtes Level an oxidativem Stress vor, der ebenfalls abgefangen werden muss und den Verbrauch von Antioxidantien zusätzlich in die Höhe treibt.
Ihre Wirkung darf aber nicht auf ihre antioxidative Kapazität reduziert werden, denn die Mikronährstoffe erfüllen als Coenzyme und Cosubstrate noch zahlreiche weitere Funktionen. Viele greifen wie Zahnräder ineinander: Vitamin C wird beispielsweise für die Hydroxylierung von Dopamin zu Noradrenalin ebenso wie von Tryptophan zu 5-Hydroxytryptophan benötigt. Letzteres stellt die Ausgangssubstanz für Melatonin und Serotonin dar. Auch in der Biosynthese von Glucocorticoiden und insbesondere Cortisol wird Vitamin C als Cofaktor der Hydroxylierungsreaktion benötigt. Folglich steigt bei Stress der Verbrauch von Vitamin C deutlich an – der Lebensmittelverband Deutschland postuliert, dass eine Viertelstunde Stress sogar bis zu 300 mg Vitamin C verbrauchen kann! Dies stellt rund das Dreifache dessen dar, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung als Tagesbedarf (90 – 110 mg pro Tag für nicht-rauchende Erwachsene) empfiehlt (DGE: Vitamin C). Raucher haben sogar einen 40 % höheren Vitamin-C-Umsatz als Nichtraucher. In der Literatur (Quelle: Uwe Gröber „Mikronährstoffe“) werden bei Stress daher durchaus hohe orale Gaben Vitamin C ab 1 Gramm, idealerweise aufgeteilt auf mehrere Tagesdosen, empfohlen.
L-Tyrosin: Wirkung auf Körper & Geist
Tyrosin und Pigmentierung
Auch für die Pigmentierung von Haut, Haaren und Augen ist Tyrosin unentbehrlich: In Melanozyten entsteht daraus durch das Schlüsselenzym „Tyrosinase“ das dunkle Farbpigment Melanin. Kein Wunder also, dass wir graue Haare bekommen, wenn uns alles zu viel wird! Studien konnten zwar nicht nachweisen, dass die Zufuhr von Tyrosin das Ergrauen verhindert. Interessant ist jedoch, dass in einem Mausversuch erhöhtes Noradrenalin zu grauem Fell führte. Die Forscher stellten fest, dass das Stresshormon dabei rasch und sogar irreversibel zum Verlust melanozytärer Stammzellen (MeSC) führt: Die schlagartige Freisetzung des Neurotransmitters Noradrenalin treibt ruhende MeSC schneller zur Proliferation, gefolgt von Differenzierung, Migration und schließlich dauerhafter Erschöpfung und Depletion. Diese MeSC stellen das Reservoir für Melanozyten dar und sind für die Pigmentierung neu wachsender Haare verantwortlich. Der komplexe Versuchsaufbau der Forscher mit speziellen Knock-Out-Mäusen ermöglichte die Aussage, dass der Stammzell-Verlust direkt auf die sympathische Aktivierung und Noradrenalin-Freisetzung und nicht beispielsweise auf immunologische Effekte zurückzuführen ist.
Quelle:
Hyperactivation of Sympathetic Nerves Drives Melanocyte Stem Cell Depletion
Als essenzieller, wasserlöslicher Mikronährstoff ist Vitamin C an über 60 enzymatischen Vorgängen in nahezu allen Organsystemen beteiligt. Es wird beispielsweise auch im Rahmen des Folsäurezyklus für die Synthese von Tetrahydrofolsäure benötigt und beeinflusst bei einem Mangel damit auch die B-Vitamine mit allen damit verbundenen Nachteilen. Folsäure wird beispielsweise sowohl für die Tyrosin-Hydroxylase, die L-Tyrosin in L-Dopa überführt, als auch für das Enzym N-Methyl-Transferase gemeinsam mit Vitamin B12 und Vitamin 6 im Rahmen der Katecholamin-Synthese benötigt. Vitamin B6, B12 und Folsäure sind zudem am Abbau des Homocysteins beteiligt. Letzteres wirkt selbst neurotoxisch und scheint sich negativ auf die psychische Gesundheit auszuwirken. Verschiedene Studien belegen, dass durch Korrektur eines Folsäure- und Vitamin B12-Mangels sogar die Ansprechrate auf Antidepressiva (SSRI-Typ) verbessert werden kann. In der Stressbewältigung nehmen B-Vitamine somit eine Schlüsselrolle ein. Liegt B12 als Hydroxocobalamin vor, kann es außerdem über einen sogenannten „Quenching“-Effekt effektiv Peroxynitrit, ein aggressives Radikal, neutralisieren und damit außerdem nitrosativen Stress senken.
Zu einem der stärksten körpereigenen Antioxidantien zählt Coenzym Q10. Das Vitaminoid ist darüber hinaus an der ATP-Produktion und damit Energiebereitstellung in den Mitochondrien beteiligt – es steigert den Energielevel der Nervenzelle um bis zu 300 Prozent. Gemeinsam mit Magnesium wirkt eine ausreichende Versorgung somit einem Energiedefizit an den Nervenzellen entgegen. Ein Mangel an Magnesium erhöht über vermehrte Ausschüttung von Acetylcholin die vagotone Aktivität und kann so zu einer raschen Ermüdbarkeit führen und Angstzustände sowie Depression fördern. Beide Wirkstoffe, Magnesium wie auch Coenzym Q10, werden auch bei benignen, hämodynamisch nicht wirksamen Herzrhythmusstörungen mit Erfolg eingesetzt. Stressbedingt treten diese gerne bei Männern zwischen 30 und 40 Jahren auf und erzeugen einen hohen Leidensdruck bei Betroffenen. Bei einer Mehrzahl dieser Patienten sistieren die Beschwerden durch Coenzym Q10 schon innerhalb eines Monats (Quelle: Schmidt E., Schmidt N, Mikronährstofftherapie).
In herausfordernden Lebensphasen können sogenannte „Adaptogene“ zusätzlich die Resilienz unterstützen. Gut bekannt ist beispielsweise die Heilpflanze Rhodiola rosea. Rosenwurz wird klassischerweise zur Erhöhung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit eingesetzt, da es Erschöpfung entgegenwirkt und die Stimmung aufhellt.
Es liegt jedoch auf der Hand, dass auf lange Sicht nur Stressreduktion sowie Ressourcenmanagement eine gesunde Lebensführung ermöglichen. Was uns stresst, ist individuell. Wir können und müssen also an unserer Haltung und Bewertung von Situationen arbeiten und beispielsweise durch Entspannungsmethoden oder Sport wieder in eine ausgewogene Balance zwischen Phasen der Anspannung und Entspannung finden.
Kurzum: Ob Tyrosin und Antioxidantien vor grauen Haaren schützen? Tja, das ist wissenschaftlich nicht belegt. Doch eine gute Versorgung mit Nährstoffen sind die notwendige Basis, damit überhaupt etwas läuft. Denn unser Körper ist wie ein Auto: Es kann einen vollen Tank haben. Doch ohne Kühlflüssigkeit ist Gasgeben trotzdem keine gute Idee und ein Motorschaden vorprogrammiert. Daher: Runter vom Gas und besser rechtzeitig für einen vollen Tank, Motoröl und Kühlflüssigkeit sorgen!
Quelle:
Buch: Uwe Gröber: Mikronährstoffe, 3. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
Buch: Nathalie Schmidt, Edmund Schmidt: Mikronährstofftherapie, 1. Auflage, Elsevier-Verlag
PubMed: The role of vitamin C in stress-related disorders